Vom Umtausch ausgeschlossen
    by Edwina Carson

Ich hatte es immer für unhöflich gehalten, Geschenke umzutauschen. Wie sagt man noch: einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, oder so ähnlich. Aber diesmal war das anders. Die teure Angelrute, die mir meine Frau zu Weihnachten geschenkt hatte, konnte ich einfach nicht behalten. Allein die Vorstellung, dieses Ding in der Gerümpelkammer oder im Keller verschwinden zu lassen, um dann in den unpassendsten Momenten darauf zu stoßen, ließ mir kalte Schauer über den Rücken laufen.

Es war nicht etwa so, dass ich etwas gegen Angelruten habe. Ganz im Gegenteil, ich bin früher sehr oft angeln gewesen, damals, mit Peter, meinem Sohn. Aber nach Petes Tod und der daraus resultierenden Trennung von Beth konnte ich den bloßen Anblick von Anglern oder Angelutensilien einfach nicht mehr ertragen. Die Erinnerung an unsere gemeinsamen Angelausflüge war einfach noch zu schmerzhaft, die Wunde über den Verlust zu tief.

Natürlich hatte Betty das nicht wissen können. Ich hatte es ihr nie erzählt. Das war lange bevor wir uns kennen lernten, lange bevor wir uns vorm Traualtar das Jawort gegeben hatten. Sie wollte mir nur einen Gefallen tun. Sie habe doch immer bemerkt, wie ich die Angelruten im Schaufenster angesehen habe, mit so einem wehmütigen Blick, hatte sie mir erklärt, als ich das Geschenkpapier abgewickelt und entgeistert die Angel angestarrt hatte. Ich hatte mir sehr lange nicht mehr erlaubt, lange über Pete nachzudenken. Mit einem Schlag war mir alles wieder eingefallen.

Wie alt Pete jetzt wohl wäre? Wohl etwa Ende 20. Er war damals 15 gewesen. Es kam mir vor wie gestern, und schien doch eine Ewigkeit her zu sein.

Nein, ich konnte die Angel einfach nicht behalten. Ich starrte das Ding noch einen Moment lang an, als ich sie vom Rücksitz meines Wagens holte. Schade eigentlich. Betty hatte sich gut beraten lassen und eine wirklich schöne Angel ausgesucht. Ein teures Modell noch dazu. Pete hätte sie gut gefallen.

Ich ging zur Information und stellte mich an. Als ich an der Reihe war, legte ich die Angel auf den Tisch.

"Meine Frau hat mir die zu Weihnachten gekauft. Ich möchte sie gerne umtauschen."

"Ist etwas damit nicht in Ordnung? Möchten sie einen Ersatz dafür haben?" fragte der junge Mann hinter dem Tresen.

"Nein, es ist alles in Ordnung damit. Ich möchte sie nur nicht haben.", entgegnete ich.

"Es tut mir Leid, aber die ist leider vom Umtausch ausgeschlossen."

"Und warum?" fragte ich erstaunt.

"Das weiß ich nicht so genau. Anweisung vom Chef. Tut mir leid, aber es geht leider nicht."

"Hören sie, junger Mann, diese Angel ist nicht gerade billig. Was soll ich Ihrer Meinung nach damit machen, vielleicht wegschmeißen?"

"Hey, ich mache die Regeln nicht, ich arbeite nur hier.", verteidigte er sich in Reaktion auf meinen gereizten Ton. Langsam wurde ich wirklich wütend. So etwas hatte ich ja noch nie erlebt.

"Ich will mit Ihrem Vorgesetzten sprechen. Es wird hier doch wohl so etwas wie einen Geschäftsführer geben."

Genervt griff der junge Mann zum Telefon und ließ den Geschäftsleiter ausrufen. Ich wartete ungeduldig, und als ich von hinten eine freundliche Männerstimme sagen hörte, "Gibt es irgend ein Problem?", fuhr ich forsch herum, um dem Herrn meine Meinung zu sagen.

Mein Kommentar blieb mir im Halse stecken. Erstaunt musterte ich den Jungen, der vor mir stand. Die Haare waren etwas kürzer und er war größer, als ich ihn in Erinnerung hatte. Aber diese Augen, das konnte doch nur ...

"Pete?" war das einzige, was ich herausbrachte. Das war doch nicht möglich. Seit Jahren hatte ich ihn für tot gehalten. Das konnte er doch unmöglich sein. Und doch, er sah wirklich haargenau wie mein Pete aus.

Zuerst wollte er mir kaum glauben. Aber wir unterhielten uns eine Weile und es stellte sich heraus, dass Peter nach dem Unfall, bei dem er damals als vermisst gemeldet und später für tot erklärt worden war, das Gedächtnis verloren hatte. Die Strömung hatte ihn weit weggespült von der Unglücksstelle, deshalb hatte man ihn damals nicht mit dem Bootsunglück in Verbindung gebracht. All die Jahre hatte er ohne Erinnerung und ohne Familie gelebt. Aber auch ohne Erinnerung bleibt er immer noch mein Sohn, und ich bin überglücklich, ihn wiedergefunden zu haben.

Es versteht sich natürlich von selbst, dass ich die Angel nun doch nicht mehr umtauschen wollte.


© December 9, 2006


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